Hieronymus Lorm                 Unikum

1821 – 1902

Du suchst in ewig unermess’ner Fülle,

In schwellender Unendlichkeit der Dinge;

Zum Sternenhimmel hebst du deine Schwinge

Und forderst, daß der Schacht sich dir enthülle.

 

Du prüfst der Zeder Stamm, des Leun Gebrülle,

Was immer dich als zahllos Sein umringe;

Du forschest, ob dein Blick das All durchdringe,

Und jeder Kern nicht wieder eine Hülle.

 

Nur Eines kann dir nie zum Wissen werden,

Nur Eines hat nicht Sprache, hat nicht Namen,

Läßt deines Suchens Hand und Fuß erlahmen,

 

Fügt sich zu keinem Bild, zu keinem Rahmen,

Zeigt angerufen stumm nur die Gebärden:

Was du hier bist und Keiner sonst auf Erden.

 

 

 

 

 

Hieronymus Lorm                 Trennung

1821 – 1902

Wir sind getrennt! Und immer nimmermehr erreicht

Mein Seufzer dich! So muß es mir begegnen,

Daß, während Lenzesblüten niederregnen,

Durch mein verschmachtend Herz der Winter streicht.

 

Die Trennung ist’s, der jeder Zauber weicht!

Ich möchte Kinder, Vögel, Pflanzen segnen,

Entflammten sie den Wunsch nicht, den verwegnen,

Zu töten, was nicht dir, Entfernte, gleicht.

 

Mir ward durch dich die Welt mit ihrer Pracht

Ein einz’ger Stern in schwarz umwölkter Nacht,

Und ach, wie hoffnungslos ich nach ihm weine?

 

Ist’s Tröstung, daß von seinem fernen Scheine

Gereift, noch eine zweite Welt, wie keine

Je ward geschaut, in meinem Geist erwacht.